Für lokalpolitisch Interessierte ist Markus Reichart kein Unbekannter. Der jetzige Bürgermeister von Heimenkirch kandidierte 2004 in Kißlegg, unterlag allerdings und schaffte dafür 2008 den Sprung ins Rathaus der Westallgäuer Marktgemeinde. Auch in den Lokalausgaben der „Schwäbischen“ tauchte sein Name in der Vergangenheit immer wieder auf, weil er in puncto Flächenverbrauch andere Wege beschreitet als allgemein üblich. Grund genug für eine größere Abordnung der „Grünen“ vom KV Wangen auf Initiative des Ortsvereins Wurzach/Kißlegg Heimenkirch und seinem BM einen Besuch abzustatten.
Und sie bekamen viel Positives zu hören. So wurde beispielsweise der Bahnhalt wiederbelebt und im Zuge dessen auch die Bundesstraße verlegt, was die Bahn als Vorbedingung stellte. Somit ergab sich eine Win-Win-Situation für die Gemeinde wie für die Bahn. Der Ortskern ist damit verkehrsberuhigt(er). Bei ca. 10.000 Fahrzeugen pro Tag ein beträchtlicher Gewinn für die Ortsmitte. Apotheke, Arztpraxen, Metzgerei und Einzelhandelsgeschäfte profitieren davon. Obwohl es auch Pläne gab, den bestehenden Edeka-Markt am Ortsrand neu zu bauen und gleichzeitig zu vergrößern. Eine Alternative im Ortskern wurde aber gefunden – nicht ohne Widerstände – , aber ein Grundsatz der Heimenkircher Kommunalpolitik kam hier zum Tragen: Will man eine Verödung des Ortskerns vermeiden, darf es keine Bebauung am Ortsrand geben, egal ob für Einzelhandel oder für Wohnbebauung. Auch in den vielen kleinen Weilern ist eine Bebauung nicht erlaubt (Ausnahme: sogenannte Ausgedinghäuser). Damit vermeidet man auch zusätzlichen Verkehr. Innerorts werden Baulücken geschlossen, und es darf auch nur auf Grundstücken gebaut werden, die der Gemeinde gehören. Und fast fünfzig „Küchentischgespräche“ führte BM Reichart mit Eigentümern älterer Einfamilienhäuser, die selbst auch in die Jahre gekommen sind. Wäre es nicht vorteilhafter, sein Häuschen für eine junge Familie zu verlassen und in eine barrierefreie Wohnung zu ziehen, die gerade im Gebäude der alten „Sonne“ entstehen. Viele hat er davon überzeugen können, ohne Zwang auszuüben.
Beim Wachstumswahn der meisten Kommunen ist es erstaunlich, dass Reichart es geschafft hat für solch wichtige Entscheidungen den Gemeinderat geschlossen hinter sich zu bringen. Eine offene Kommunikation scheint Grundvoraussetzung zu sein. Bürger werden in Planungen einbezogen, GR-Sitzungen sind in allen Punkten (Ausnahme: Personalentscheidungen) immer öffentlich. Die Presse wird schon im Vorfeld informiert. Ein besonderes Instrument sind die „Bürgerwerkstätten“, wo die Bürger sich bei wichtigen Großprojekten einbringen können mit ihren Ideen und Bedenken. Wichtige Entscheidungen bereitet der GR in Klausurform vor. Markus Reichart merkt man seine zusätzliche Qualifikation an: Er ist zertifizierter Mediator.
Gefragt, warum er nicht auf das Wachstum setzt wie andere Gemeinden (Heimenkirch verharrt seit langem bei ca. 3600 Einwohnern), hat er eine klare Meinung: Neue Baugebiete erfordern immer hohe Folgekosten der Infrastruktur, die geschaffen und unterhalten werden muss. Kurzfristige Gewinne durch den Verkauf von Baugrundstücken sind deshalb Augenwischerei.
Allerdings klappt nicht alles in Heimenkirch: Die Projekte „Mitfahrbänkle“ und „Carsharing“ werden noch nicht richtig angenommen. „Vielleicht ist die Not noch nicht groß genug.“